Hans-Jo Moderator
Anmeldedatum: 27.05.2006 Beiträge: 1371 Wohnort: Hamburg
|
Verfasst am: Mo, 14.Jul.2008 17:26 Titel: Darktours - die ganze Wahrheit |
|
|
DARKTOURS - Die Wahrheit
Es fällt mir nicht leicht über das Ganze zu sprechen.
Denn die wahren Hintergründe dieser Veranstaltung sind mehr als erschreckend.
Es war im vergangenen Jahr, und ich nicht das erste Mal dabei. An die Gepflogenheiten vor Ort und die Launen der Organisatoren hatte ich mich gewöhnt. Im Großen und Ganzen war klar, was mich und die anderen Teilnehmer erwartete. Man traf sich in Bommelsen, um daraufhin mit einer Unzahl Schwarzgewandeter in den Heideparksoltau einzufallen. Die Krönung schwarzer Unterhaltung, ein exquisit sinistres Vergnügen anderer Art, zu dem sich übellaunige Dunkeltuchträger aus ganz Norddeutschland zusammenfanden, um sich für einen Tag den Wundern trivialer Freizeitparkunterhaltung hinzugeben.
Eine nachvollziehbarer Mechanismus, wenn man den geringen Unterhaltungswert des ordinären Satanismus im Vergleich zu einer ordentlichen Achterbahn oder einer klassischen Schiffsschaukel bedenkt. Wer das ganze liebe Jahr lang humorlos Gräber schändet, sollte wenigstens einmal im Jahr etwas Spaß haben dürfen.
Ich persönlich hatte das ganze nie als bloßes Vergnügen betrachtet und stets auch den therapeutischen Aspekt geschätzt. Möchte gar nicht wissen, wie viele Gruftis sich durch den Besuch dieses Freizeitparks ihren Therapeuten sparten…
Doch all das waren nur die offensichtlichen Aspekte der Veranstaltung.
Die Wahrheit lag dahinter, jenseits der schwarzen Szene, tief im finstersten Dunkel der Gewöhnlichkeit. Das, was mir letztes Jahr in Bommelsen widerfuhr, hätte ich mir selbst in meinen schlimmsten Alpträumen nicht auszumalen vermocht.
Die wenigsten Teilnehmer der Darktours wissen um die dunklen Geheimnisse, welche die Veranstaltung seit ehedem umgeben. Zum Beispiel das spurlose Verschwinden einzelner Teilnehmer, das sich Jahr für Jahr wiederholt. Es ist Geld im Spiel, Spuren werden verwischt, Zeugen geschmiert und das Schicksal der Opfer bleibt mysteriös.
Ich aber weiß inzwischen, was dort wirklich geschieht, und ich habe mein Leben der Aufklärung gewidmet! Ich möchte all die Leute dort draußen, vor allem aber junge unbedarft leichtgläubige Anhänger der Gothic-Szene mit schwacher Allgemeinbildung warnen.
Es geht nicht darum, Ängste zu schüren oder Panik zu machen, es geht um nichts anderes als Aufklärung.
Ich habe Nachforschungen angestellt, Zahlen durchgerechnet und alle erdenklichen Faktoren berücksichtigt. Dabei wurde mir klar, dass irgendetwas faul war an dieser Organisationsgrupe. Wer hätte jemals davon gehört, dass ein knappes Dutzend junger Menschen sich den Arsch aufreißt, ohne sich dabei die Taschen vollzumachen?
Das hier ist freie Marktwirtschaft. Die machen das doch nicht zum Spaß. Das tut keiner. Denkt ihr, ich schreibe so etwas, weil ich das lustig finde?
Naja, jedenfalls war sofort klar, dass da etwas nicht stimmte.
Ich bemühte das Internet, suchte, recherchierte, und dann fand ich es schließlich:
Das unscheinbare Angebot eines kleinen aber exklusiven Soltauer Reisebüros, von dessen Nennung an dieser Stelle mein Anwalt mir abgeraten hat. Laut Anzeige handelte es sich um einen zweitägigen anthroposophischen Abenteuerurlaub, in dessen Rahmen es für nicht allzu zart besaitete Freunde obskure Gepflogenheiten verschiedene unheilige heidnische Brauchtümer zu entdecken gab.
Die Tatsache, dass Ort und Datum des bezeichneten Abenteuerurlaubs frappant mit dem Gruftieausflug in den Heidepark übereinstimmten, führte mich zu weiterführenden Recherchen.
Und tatsächlich: Jahr für Jahr wiederholte dieses Angebot sich zeitgleich mit den Darktours.
Der Zusammenhang war ebenso offensichtlich wie meine folgenden Schritte:
Nachdem ich mir ein unauffälliges buntes Oberhemd geliehen hatte, machte ich mich, um einen möglichst touristischen Habitus bemüht, auf den Weg in besagtes Reisebüro. Ich bekundete mein Interesse an dem anthroposophischen Abenteuerurlaub, und die Reisefachkraft bat mich in ein Hinterzimmer. Dort wurde mir ein ominöser Farbprospekt vorgelegt. Ich erkannte Lagerfeuer, Zelt und das Gebäude im Hintergrund.
Mir nichts anmerken lassend, hörte ich geduldig zu, wie der Bommelser Grillplatz mir als eines der letzten europäischen Satanistenreservate beschrieben wurde.
Ich nickte verständig und bekam daraufhin Bilder spärlich bekleideter Lackdamen, bärtig tätowierter Trunkenbolde und allerlei Rüschenhemdträger zu sehen, die mir mit einem vielsagenden Blick präsentiert wurden.
Sicher, es wäre nicht ganz ungefährlich, aber wenn sie betrunken waren, würden Satanisten durchaus zutraulich werden, versicherte man mir. Ich dürfte außerdem uneingeschränkt Fotos schießen. Man versprach mir lohnende Motive, rituelle Handlungen, Brustwarzen und satanistentypische Obszönitäten. In freier Wildbahn würde es so etwas heute ja beinahe gar nicht mehr geben. Schon darum wäre dieser Abenteuerurlaub etwas überaus Besonderes. Aus Sicherheitsgründen müsste ich jedoch mit den anderen Teilnehmern der Reisegruppe im Wald auf den vorbereiteten Klappstühlen unterhalb der Tarnnetze bleiben.
Die Bommelser Satanstour wäre nach nunmehr 10 Jahren inzwischen ein regelrechter Geheimtipp, und all das nur möglich, weil man eng mit einem der Koordinatoren zusammenarbeite. Diesen müssten sie natürlich geheim halten und gut bezahlen, was das Ganze schlussendlich zu einem nicht ganz billigen Vergnügen machte. Man offenbarte mir schließlich, was das Ganze mich kosten würde und versicherte mir, dass es jeden Cent wert wäre!
Vor allem, weil die Abenteuertouristen an einer ganz speziellen Verlosung teilzunehmen pflegten: jedes Jahr würde man einen Satanisten fangen, der zunächst betäubt und dann dem Gewinner als Maskottchen mit nachhause gegeben wurde.
Diese Verlosung wäre überaus beliebt. In den vergangenen Jahren hätten sich neben der Belegschaft eines Autohauses, einem Kölner Kegelverein und einer überaus agilen Mittsiebzigerin auch ein Soltauer Skatclub und eine junge Fleischfachverkäuferin aus Zeven über ihren eigenen Satanisten freuen können.
Ich versprach, mir das Ganze bis zum nächsten Tag zu überlegen, und verließ, im Kopf bereits einige Zahlen überschlagend, das Hinterzimmer des obskuren Reise-Etablissements.
Wenn ich den Teilnahmebeitrag auf 12 Expeditionsteilnehmer hochrechnete, dann machte das eine Ganze Stange Geld, an der sich nicht nur das Reisebüro sondern auch sein ominöser Darktours Kontaktmann jedes Jahr eine goldene Nase verdienten...
Oh ja, ich sehe eure empörten Gesichter!
Aber alles deutet daraufhin, dass diese Ganze Veranstaltung nur darauf ausgelegt ist, dass abends die Touristen in den Büschen gute Bilder schießen können. Ihr alle, ausnahmslos, sollt euch tagsüber im Vergnügungspark derart austoben, dass ihr euch abends langsam genug für eine kurze Belichtungszeit bewegt!
Wir alle sind reingelegt worden!
Oh, ich sehe es ganz genau. Ihr wollt es nicht wahrhaben, so wenig, wie ich es wahrhaben wollte! Aber unter den Organisatoren dieses vermeintlich vergnüglichen Events befindet sich ein Schaf, das noch schwärzer ist als die anderen!
Denjenigen zu finden und ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen, sollte unsere Aufgabe sein!
Schichtet einen Scheiterhaufen auf, fesselt die Orga, wir werden Mittel und Wege finden, sie zum Reden zu bringen!
Was? Ihr glaubt mir immer noch nicht?
Geht in den Wald, bis zu den Tarnnetzen! Und da werdet ihr sie sitzen sehen, die Touristen mit ihren Nachtobjektiven, Fotoapparaten und Feldflaschen, und in ihren Hosentaschen werdet ihr Lotterielose finden, Lotterielose die das Schicksal von einem von euch besiegeln sollen. Ja, und irgendwann morgen früh, wird dort hinten zwischen den Blättern ein leises „pft!“ ertönen, der Betäubungspfeil wird seine Arbeit tun und ein bedauernswerter halbtrunkener Gruftie wird bewusstlos in den Wald geschleift, um sein Dasein fortan als Maskottchen spießbürgerlicher Schrebergärtner zu fristen!
Ihr müsst mir einfach glauben, das Ganze ist ein abgekartetes Spiel!
Ich bitte euch inständig: hört auf mich!
Vertraut niemandem hier!
Sie alle könnten mit diesen Leuten unter einer Decke stecken!
Wer, wenn nicht ich sollte euch diese schonungslose Wahrheit nahe bringen können?
Die Darktours haben mein Leben ruiniert! Denn ich war es, den sie letztes Jahr verschleppt haben! Vier ganze Monate brauchte ich, um ihnen zu entkommen! Ihr seht, was sie mit mir gemacht haben. Ich bin bloß noch ein Schatten meiner selbst. Ich, der ich beinahe ein halbes Jahr lang gegen meinen Willen in einem hellblauen Frotteekostüm das Maskottchen des Kölner Kegelclubs Gut Holz gewesen bin...
ENDE
© christian von aster – www.vonaster.de |
|